Sklavenhandel: Menschen als Ware

Sklavenhandel: Menschen als Ware
Sklavenhandel: Menschen als Ware
 
Noch im 16. Jahrhundert war das Interesse an der Erwerbung von Sklaven in Portugal und Spanien sehr begrenzt; Frankreich und England hatten überhaupt keinen nennenswerten Bedarf. Obwohl der Sklavenhandel stetig anstieg, hielt er sich im Rahmen eines Handelssystems, in dem auch andere Tauschobjekte wie beispielsweise Gold, Elfenbein und Gewürze eine Rolle spielten. Erst das Vordringen der Engländer, Niederländer, Franzosen und Dänen, verbunden mit dem Verlust der spanischen Monopolstellung auf den Westindischen Inseln und der Einbuße der portugiesischen Vorherrschaft an der westafrikanischen Küste, ließ den Sklavenhandel zum beherrschenden Faktor im Afrikahandel werden. Die sich ausbreitenden europäischen Siedlungen in Amerika bedurften unvorstellbar vieler Arbeitskräfte für die Bearbeitung ihrer Plantagen. Die Zuckerrohr-, Tabak- und Baumwollplantagen in Brasilien, auf den Westindischen Inseln und im Süden Nordamerikas absorbierten die meisten Sklaven. Daneben wurden sie in den Gold- und Silberbergwerken als Ersatz für die Indios eingesetzt.
 
Wenn auch die meisten Sklaven in die spanischen Kolonien verkauft wurden, war die Beteiligung spanischer Händler am Sklavenhandel gering. Geschäftsleute anderer Länder ließen sich diesen Handel vielmehr durch asientos, umfassende bilaterale Vertragswerke, zusichern. Waren es zunächst Portugiesen, die den Handel mit Schwarzen in beträchtlichem Umfang betrieben, nahmen im 17. und 18. Jahrhundert zunehmend Niederländer, Franzosen und Engländer an dem Geschäft mit der »Ware« Mensch teil. Im späten 18. Jahrhundert kamen Dänen, Schweizer, Schweden, Deutsche und Angehörige weiterer Nationen hinzu.
 
 Grundzüge des transatlantischen Sklavenhandels
 
In der Regel bestanden die aus Europa nach Afrika mitgeführten Tauschgegenstände in bunten und glitzernden Gütern aus Metall oder Glas, in Stoffen oder Alkohol. Diese Fracht wurde den Häuptlingen zum Tausch angeboten, die dann im Wesentlichen Angehörige schwächerer Nachbarstämme und eigene Stammesmitglieder, die gegen die Gesetze verstoßen hatten, dagegen verhandelten. Meist wurden die Sklaven angekettet oder mit Handfesseln gebunden an Bord gebracht und in der amerikanisch-karibischen Welt gegen Zucker, Kaffee, Baumwolle, Kakao oder Tabak eingetauscht, also gegen koloniale Massenprodukte, deren Nachfrage im 18. Jahrhundert auf den europäischen Märkten außerordentlich stieg. Der deutsche Sklavenhändler Joachim Nettelbeck beschrieb 1772 einen Teil des Handelsdreiecks Waffen — Sklaven — Zucker: »Hier (in Afrika) wurden Menschen nun einmal als Waren angesehen, um gegen die Erzeugnisse des europäischen Kunstfleißes ausgetauscht zu werden. Also kam es hauptsächlich darauf an, solche Artikel zu wählen, welche Bedürfnisse oder Luxus den Schwarzen am unentbehrlichsten gemacht hatte. Schießgewehre aller Art und Schießpulver in kleineren Fässern von 8 bis 32 Pfund nahmen hierunter die erste Stelle ein. Fast ebenso begehrt war Tabak, sowohl geschnitten als in Blättern, samt irdenen Pfeifen und Branntwein. Kattune (Baumwolle) in allen Sorten und Farben lagen in Stücken von 21 bis 24 Ellen sowie auch dergleichen oder leinene und seidene Tücher, deren sechs bis zwölf zusammengewirkt waren. Ebenso wenig durfte ein guter Vorrat von leinenen Lappen, drei Ellen lang und halb so breit, fehlen, die dort als Leibschurz getragen werden. Den Rest der Ladung füllten allerlei kurze Waren, als kleine Spiegel, Messer aller Art, bunte Korallen, Nähnadeln und Zwirn, Fayence, Feuersteine, Fischangeln und dergleichen... Die europäischen Tauschwaren wurden den Schwarzen stets nach dem höchsten Einkaufspreis mit einem Zusatz von 25 Prozent angerechnet. Und nach diesem Tarif galt damals ein vollkommen tüchtiger männlicher Sklave etwa hundert holländische Gulden. Ein Bursche von zwölf Jahren und darüber ward mit sechzig bis siebzig Gulden, und ungefähr zum gleichen Preise auch eine weibliche Sklavin bezahlt
 
So oder ähnlich verlief der Handel häufig. Doch ist davor zu warnen, von einem einheitlichen »System« auszugehen, da es von der beschriebenen Grundform zu viele Varianten gab. Einheitlich ist nur die Begründung dieses unwürdigen Geschäfts: der ökonomische Nutzen. Darin gründete auch das Interesse, die »Fracht« in guter Verfassung an den Zielhafen zu bringen. Nichtsdestoweniger glich das Geschäft heutigen Viehtransporten und die Sterberate lag nicht selten bei über 50 Prozent. Dennoch blieb in der Regel eine beträchtliche Rendite. Die wirtschaftliche Nutzung der Kolonien behielt bis weit in das 19. Jahrhundert hinein ihre Basis in der Sklaverei. Man geht heute davon aus, dass zwischen 1500 und 1800 etwa zehn bis zwölf Millionen Afrikaner zu »Amerikanern wider Willen« gemacht wurden. Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass etwa die Portugiesen auch vor der Entdeckung Amerikas 1492 bereits Sklavenhandel mit Afrika betrieben hatten und es so bereits im späten 15. Jahrhundert schwarze »Europäer wider Willen« gab. Sklaven waren damals neben Gold und Elfenbein die meist gehandelte »Ware« im portugiesischen Afrikageschäft. Im Übrigen war die Sklaverei in Südeuropa während des ganzen Mittelalters üblich.
 
 Wirtschaftliche Interessen am Sklavenhandel
 
Liverpool spielte bald in diesem Handel eine führende Rolle, da es über ein industriell fortgeschrittenes Hinterland verfügte, das die erlösten Grundstoffe weiterverarbeitete und die nötigen Fertigwaren anlieferte. Schließlich trug dieser Kreislauf nicht unerheblich zum Wachstum der europäischen Fabrikation, namentlich der englischen, bei; stärker noch bestimmte er den wachsenden Anteil des Überseehandels am gesamten Welthandel. Der atlantische Sklavenhandel war in mehrfacher Hinsicht rentabel. Zunächst konnten die europäischen Händler ihre »Ware« gegen Manufakturprodukte erwerben, die die Kapazitäten der heimischen Gewerbe auslasteten, ein Aspekt, der häufig übersehen wird. Danach ließ sich die beträchtliche Gewinnspanne abschöpfen, die zwischen dem Einkaufswert in Afrika und dem Verkaufspreis auf den Plantagenmärkten Amerikas lag. Schließlich konnten damit Rohstoffe günstig erworben werden, für die in Europa eine wachsende Nachfrage vorhanden war, und damit waren in der Regel wiederum steigende Preise zu erlangen. Der Handel mit Arbeitskräften beherrschte bald den Austausch mit den Kolonien. Mit der Verbreitung des Zuckerrohranbaus in Amerika durch die Portugiesen hatte die Sklaverei sprunghaft an Bedeutung zugenommen, zumal sich die einheimischen Indios für diese regelmäßige monotone Arbeit als untauglich erwiesen. Zum Sklavenhandel gesellte sich meist der Schmuggelhandel, der namentlich von den Niederländern und Engländern betrieben wurde. Den Engländern diente in diesem Zusammenhang Jamaika als Auffanglager für schwarze Sklaven, um von dort aus die spanischen Kolonien zu beliefern. Im Frieden von Utrecht 1713 wurde den Engländern das Monopol für den Sklavenhandel mit Spanisch-Amerika in einem Vertrag überlassen. So besaß England im 18. Jahrhundert ein lukratives Sklavenhandelsprivileg. Seit Beginn dieses Jahrhunderts gab es Bestrebungen, die sanitären Bedingungen auf den Schiffen zu verbessern, nachdem bis dahin bei der Überfahrt ein erheblicher Teil der Sklaven den katastrophalen hygienischen Bedingungen zum Opfer gefallen war. Dies führte unter anderem dazu, dass der Kapitän eines Schiffes eine bestimmte Prämie für jeden an seinem Bestimmungsort gesund angelangten schwarzen Sklaven erhielt.
 
Das ständig wachsende Defizit im Warenaustausch mit Europa zwang die Militär- und Verwaltungselite der afrikanischen Stämme geradezu, ihre Nachfrage nach europäischen Fertigwaren durch den Handel mit Sklaven zu decken. Im Kampf um den europäischen Markt waren sie der Konkurrenz Amerikas und Asiens kaum gewachsen, deren Kaufkraft und Angebot für den Warenaustausch bedeutender war. Die Sklaven wurden auf dem Landweg in die befestigten Handelsniederlassungen der Europäer entlang der afrikanischen Küste gebracht und dort von afrikanischen Mittelsmännern eingetauscht. Bis 1730 konzentrierte sich der transatlantische Sklavenhandel hauptsächlich auf die westafrikanische Küste. Danach fand eine stetige Verlagerung nach Süden und in die Häfen Ostafrikas statt, wo sich der im kleineren Umfang betriebene Sklavenhandel auf die Zuckerrohrplantagen von Mauritius und Réunion beschränkte und sich der Sklavenhandel der Araber mit dem atlantischen überschnitt. Sein endgültiges Ende fand er an der Westküste Afrikas um 1820. Jedoch hielt der Sklavenhandel aus Angola und Moçambique, trotz des Handelsverbots der Portugiesen 1836, noch bis ungefähr 1860 an und erfuhr sogar in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Steigerung.
 
Nach den Dänen verbot Großbritannien 1807 den Sklavenhandel für britische Staatsbürger, gefolgt von den USA 1808, den Niederlanden 1814 und Frankreich 1815. Nicht nur humanitäre Gründe beeinflussten das Verbot, sondern auch wirtschaftliche Interessen. Die britische Wirtschaft hatte sich verändert. Der Handel mit Zucker, Baumwolle, Rum, Tabak und anderen Kolonialprodukten, ob im Rohzustand oder verarbeitet, verlor zunehmend an Wichtigkeit. Dagegen dominierte der Export von Fertigwaren aus der Industrieproduktion, deren Stärke mehr in der Kapitalzusammenballung, in der Mechanisierung der Arbeitsmethoden und in Großbritanniens Reichtum an Eisenerz und Kohle lag. Die Entdeckung des Rübenzuckers beschleunigte zudem den Niedergang des Zuckerhandels.
 
Prof. Dr. Rolf Walter, Jena
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Sklaverei: Geißel der Menschheit
 
 
Borries, Bodo von: Kolonialgeschichte und Weltwirtschaftssystem. Europa und Übersee zwischen Entdeckungs- und Industriezeitalter 1492-1830. Münster u. a. 21992.

Universal-Lexikon. 2012.

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